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Herr Walder, sind die Wählerinnen und Wähler gut informiert?

Maxime Walder, Redaktion DeFacto
18th Oktober 2023

Bei den Wahlen wird entschieden, welche Personen die Interessen des Stimmvolkes im Parlament vertreten dürfen. Folglich haben die Wahlen grossen Einfluss darauf, wie die Schweizer Politik ausgestaltet wird. Doch wie gut sind die Wählenden überhaupt über die Politik und die Parteien informiert? Maxime Walder beantwortet die wichtigsten Fragen.

Wie gut sind die Wählerinnen und Wähler über politische Inhalte informiert?

Maxime Walder: Das ist eine komplexe Frage. Verschiedene Studien versuchen, das politische Wissen der Wählerinnen und Wähler zu bewerten, und deuten eher darauf hin, dass das politische Wissen der Bevölkerung gering ist. Was bedeutet es jedoch, "gut informiert" zu sein? Wenn man davon ausgeht, dass eine Person, die gut über politische Inhalte informiert ist, ein umfassendes Wissen über das gesamte politische Geschehen, Politiker:innen, Parteien, Interessengruppen oder alle Parlamentsbeschlüsse hat, dann gibt es den/die gut informierte:n Wähler:in nicht. Wenn man hingegen davon ausgeht, dass ein gut informiertes Individuum in der Lage ist, die ihm zur Verfügung stehenden Informationen zu verarbeiten und eine Wahlentscheidung zu treffen, die mit seiner ideologischen Position übereinstimmt, ist ein grosser Teil der Schweizer Wählerinnen und Wähler gut informiert.

Wo und wie informieren sich die Wählerinnen und Wähler vor den Wahlen über die Parteien? Gibt es einen Unterschied zwischen Neuwählern und erfahrenen Wählern?

In einer Studie, die im Rahmen eines Nationalen Forschungsprojekts NFP 77 zur digitalen Transformation im Kanton Bern durchgeführt wurde, haben wir untersucht, wie die Schweizer Bürgerinnen und Bürger die verschiedenen Medienarten nutzen, um sich während politischer Kampagnen zu informieren. Unsere Ergebnisse zeigen, dass die traditionellen Informationskanäle, das heisst TV, Zeitungen, Radio nach wie vor die wichtigste Informationsquelle für die Schweizer Bevölkerung sind. Informelle Diskussionen und Parteidokumente (z. B. Plakate oder Flyer) werden ebenfalls regelmäßig konsultiert, und in geringerem Masse tauchen soziale Netzwerke als Informationskanal auf. Soziale Netzwerke bleiben für die Bevölkerung im Allgemeinen eine marginale Informationsquelle. Bei der jüngeren Generation beobachten wir hingegen eine stärkere Tendenz, soziale Netzwerke als Informationskanal zu nutzen.

Wählen alle Wählerinnen und Wähler die Partei, die sie am besten vertritt?

Es gibt viele Gründe, warum man einen Kandidaten eher wählt als einen anderen. Man kann zum Beispiel eine Partei oder eine:n Kandidat:in wählen, weil man der Meinung ist, dass sie/er einem ideologisch nahesteht, oder aufgrund einer bestimmten Herausforderung. Doch obwohl diese Wahlstrategien eine bestimmte Repräsentation der Wählerschaft erzeugen, ist die Optimierung einer dieser Strategien nicht gleichbedeutend mit der Optimierung aller Formen der Repräsentation. Was wir beobachten, ist, dass die Nutzung von Wahlunterstützungsanwendungen (z. B. Smartvote) die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass Wähler ihre Meinung zwischen ihrer Absicht und ihrer Wahlentscheidung ändern. Es ist also festzustellen, dass die Wähler:innen eher dazu neigen, ihre Stimmabgabe zu ändern, wenn sie qualitativ hochwertige und leicht zugängliche Informationen über Kandidat:innen und Parteien erhalten. Man kann also sagen, dass nicht alle Wählerinnen und Wähler die Partei wählen, die sie am besten repräsentiert. Die politische Kompetenz der Wählerinnen und Wähler sowie die Qualität der Informationen, die während der politischen Kampagnen bereitgestellt werden, können die Repräsentation der Wählerschaft aber verbessern.


Maxime Walder

Maxime Walder studierte und promovierte an der Universität Zürich und ist heute Forscher an den Universitäten Genf und Basel. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Datenwissenschaften und Berechnungsmethoden. Er forscht auch im Bereich der Untersuchung des politischen Verhaltens von Bürgerinnen und Bürgern und Eliten sowie der politischen Konsequenzen der digitalen Transformation.

 

Bild: unsplash.com