1

Bildungsmobilität in der Schweiz: weiterhin mehr Aufwärts- als Abwärtsmobilität

Richard Nennstiel, Rolf Becker
27th Dezember 2023

In der 35. Ausgabe der Zeitschrift Social Change in Switzerland vergleichen Richard Nennstiel und Rolf Becker die Bildungsabschlüsse einer halben Million Personen mit jenen ihrer Eltern. Sie zeigen, dass zwischen 1950 und 1990 die Kinder in jeder Geburtskohorte im Schnitt einen höheren Bildungsabschluss erlangt haben. War die Bildungsmobilität in den älteren Kohorten bei Männern höher als Frauen, sind diese Geschlechtsunterschiede in der jüngsten Kohorte verschwunden.

Auf der Basis von Daten des Bundesamtes für Statistik (BFS) dokumentieren die zwei Forscher der Universität Bern zuerst das Ausmass der Bildungsexpansion, von welcher insbesondere Frauen profitiert haben. Hatten in der Geburtskohorte 1951-55 40% der Männer und 20% der Frauen einen Tertiärabschluss, waren es in der Geburtskohorte 1986-90 sowohl bei den Männern als auch den Frauen 50%.

Je mehr Eltern einen Tertiärabschluss haben, desto weniger Kinder können aufwärts mobil sein, da diese Kinder – auch wenn sie einen Tertiärabschluss erlangen – höchstens mit ihren Eltern gleichziehen. Dieser Deckeneffekt erklärt, warum die Bildungsmobilität im Zeitverlauf abgenommen hat. Erlangten in der ältesten Kohorte 1951-55 über die Hälfte der Kinder einen höheren Bildungsabschluss als ihre Eltern, waren es in der jüngsten Kohorte 1986-90 nurmehr ein Drittel. Dennoch ist auch in der jüngsten Kohorte die Aufwärtsmobilität grösser als die Abwärtsmobilität. Nur 15% der Kinder hatten einen tieferen Abschluss als ihre Eltern.

Die Bildungsmobilität unterscheidet sich je nach Abschluss der Eltern. Kinder, die in Bezug auf den Bildungsabschluss abwärts mobil sind, stammen zum Grossteil aus Elternhäusern mit einem Tertiärabschluss. Das schweizerische Bildungssystem schafft es folglich, die Bildungsvererbung in Akademikerfamilien ein wenig aufzubrechen, sodass auch einige Akademikerkinder mit Bildungsabstiegen konfrontiert sind. Gleichzeitig ermöglicht das Bildungssystem über 90% der Kinder einen Bildungsaufstieg, die aus Elternhäusern mit einem Abschluss auf dem Niveau der Sekundarstufe I stammen. Insbesondere für Frauen hat sich die Wahrscheinlichkeit über alle Bildungsherkunftsgruppen hinweg erhöht, eine höhere Ausbildung zu erlangen als ihre Eltern.


Referenz:

  • Nennstiel, Richard & Becker, Rolf (2023). Die Bildungsmobilität in der Schweiz. Social Change in Switzerland, N°35, www.socialchangeswitzerland.ch

Bild: flickr.com