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Unveränderte Frauenvertretung im Kanton Thurgau

Sarah Bütikofer
9th April 2024

Zwei neue Regierungsrätinnen wurden in die Thurgauer Regierung gewählt, sie ersetzen zwei zurückgetretene Regierungsrätinnen. Im Parlament nimmt künftig eine Frau weniger Platz als vor vier Jahren. Dies das Ergebnis der kantonalen Wahlen des Kantons Thurgaus vom letzten Sonntag mit Blick auf die Vertretung der Frauen.

Zwischen 2015 und 2022 stellten die Regierungsrätinnen im Kanton Thurgau die Mehrheit im Regierungsrat. Damit bildete der Kanton schweizweit eine Ausnahme. Mittlerweile werden auch andere Kantone von einer Frauenmehrheit regiert. Im Kanton Thurgau machen die Regierungsrätinnen für die kommende Legislaturperiode vierzig Prozent aus.

Nicht ganz so hoch ist der Frauenanteil im kantonalen Parlament. Abbildung 1 zeigt die Entwicklung des Anteils der in den Grossen Rat gewählten Politikerinnen. Auffallend ist, dass bereits vor zwanzig Jahren einmal vierzig Kandidatinnen gewählt wurden. Vorher verlief die Entwicklung in eher gemächlichem Tempo.

Als 1972 erstmals Frauen für den Grossen Rat des Kantons Thurgau kandidieren konnten, traten 136 Kandidatinnen an – gewählt wurde damals aber nur eine einzige Grossrätin. Doch bereits zwei Wahlgänge später, ab 1980, lag der Frauenanteil in der Legislative des Kantons Thurgau über dem Ostschweizer Mittel, ab den Nullerjahren auch über dem Schweizer Mittel. Mittlerweile liegt der Frauenanteil des Kantons Thurgau wieder etwas unter dem Schweizer Durchschnitt. Bisher am meisten Kandidatinnen (41 an der Zahl) schafften die Wahl vor vier Jahren, als die grüne und lila Welle den Frauenanteil in zahlreichen Parlamenten der Schweiz deutlich ansteigen liess.

Für die kommende Legislaturperiode wurden von 631 Kandidaten und 383 Kandidatinnen 90 Männer resp. 40 Frauen gewählt. Der Frauenanteil betrug bei den Kandidaturen 37.8 Prozent und stieg im Vergleich zu den Grossratswahlen 2020 leicht an (2020: 36.7 Prozent). Der Anteil der 2024 gewählten Thurgauer Grossrätinnen ist mit 30.7 hingegen minim tiefer als vor vier Jahren (31.5 Prozent). Dies kann auf die Wahlgewinne der SP und der Mitte zurückgeführt werden, die beide über einen (deutlich) höheren Frauenanteil aufweisen als die Parteien, die Sitze verloren haben.

Abbildung 1. Anzahl der gewählten Männer und Frauen im Grossen Rat pro Wahljahr

Abbildung: Alix d'Agostino, DeFacto · Datenquelle: Dienstelle für Statistik Kanton Thurgau

Der Frauenanteil ist aber nicht über alle Parteien ausgeglichen. Als Faustregel für die ganze Schweiz gilt, dass seit ungefähr den 1990er-Jahren der Frauenanteil bei den Parteien, die im politischen Spektrum auf der linken Seite angesiedelt sind, markant höher liegt als bei den anderen Parteien - und dass der Frauenanteil umso tiefer liegt, je weiter rechts eine Partei steht. So auch im Thurgau (vgl. Abb. 2).

Bei der SP kandidierten sowohl 2020 wie 2024 sogar mehr Frauen als Männer, bei den Grünen machen die Kandidatinnen über 40 Prozent aus. Auch die EVP weist einen überdurchschnittlich hohen Frauenanteil aus. Auf der anderen Seite sind auch im Kanton Thurgau bei der SVP und der FDP die Frauen am schlechtesten vertreten - allerdings liegt der Frauenanteil der Thurgauer SVP deutlich über dem Schweizer Durchschnitt.

Abbildung 2. Frauenanteil der Kandidierenden pro Partei und Jahr

Abbildung: Alix d'Agostino, DeFacto · Datenquelle: Dienstelle für Statistik Kanton Thurgau, eigene Codierung. Zwei Wahlgänge unvollständig.

Den Parteien kommt durch die Gestaltung der Wahllisten bezüglich der Repräsentation der Frauen in der Politik eine wichtige Rolle zu. Würden alle Parteien ungefähr gleich viele Kandidatinnen wie Kandidaten nominieren, so würde dies zu einem höheren Frauenanteil unter den Gewählten führen. In Abbildung 3 ist der Frauenanteil der Gewählten pro Partei und Wahljahr für den Kanton Thurgau dargestellt.

Dabei zeigt sich, dass die Parteien, die auch viele Kandidatinnen aufstellen, mit mehr gewählten Parlamentarierinnen aus den Wahlen hervorgehen. Umgekehrt gilt auch, dass ein Teil der Untervertretung der Frauen in der Politik durch deren Parteizugehörigkeit bzw. die unterschiedliche Stärke der Parteien in den jeweiligen Wahlkreisen erklärt werden kann.

Abbildung 3. Frauenanteil bei den Grossratwahlen pro Partei und Jahr

Abbildung: Alix d'Agostino, DeFacto · Datenquelle: Dienstelle für Statistik Kanton Thurgau

Aus Abbildung 3 geht auch hervor, dass der seit zwanzig Jahren vergleichsweise hohe Frauenanteil im Grossen Rat des Kantons Thurgau wesentlich auf den Erfolg von weiblichen Kandidaturen der linken Parteien zurückgeführt werden kann. In den bürgerlichen Parteien liegt der Frauenanteil bei den Gewählten im Durchschnitt tiefer. Möglicherweise hat die vergleichsweise hohe Präsenz von Politikerinnen (linker Parteien) im Parlament aber indirekt doch ein bisschen auf andere Parteien abgefärbt und zur Nomination von Frauen für Exekutivämter beigetragen.


Hinweis: Dieser Beitrag ist eine aktualisierte und stark gekürzte Version des Kapitels: Bütikofer, Sarah (2023). "Thurgauer Politikerinnen - präsent in allen Parteien und Gremien", in: Kolb Beck Nathalie (Hg.): Frauen stimmen – Frauenstimmen. 50 Jahre politische Partizipation im Thurgau 1971–2021. 161 Thurgauer Beiträge zur Geschichte. Frauenfeld: Historischer Verein des Kantons Thurgau.

Bild: Regierung Kanton Thurgau (tg.ch)