Keine Angst vor KI!  Was die Bevölkerung von Künstlicher Intelligenz in der Schweizer Armee hält. 

Künstliche Intelligenz (KI) hat in den letzten Jahren einen unbeschreiblichen Boom erlebt. Diese Entwicklung erreicht je länger je mehr auch den militärischen Bereich, welcher zweifelsohne stark davon beeinflusst wird. Es stellt sich also die Frage, wie die Schweizer Bevölkerung mögliche Anwendungen von KI im Militär bewertet.

KI und ihre militärischen Möglichkeiten

Anwendungen von KI zeichnen sich dadurch aus, dass sie kognitive Funktionen nachahmen, die sonst Menschen vorbehalten sind. Damit erreichen KI-basierte militärische Technologien ungeahnte Autonomie in ihren Entscheidungsprozessen.

Neben ihrer Autonomie sind solche Anwendungen fähig, ihre Entscheidungen wesentlich schneller zu treffen als Menschen (siehe z.B. Marra & McNeil, 2013). Streitkräfte weltweit nutzen diese massiv bessere Informationsverarbeitungskapazität bereits heute in Systemen mit direkter Waffenwirkung und für Stabsaufgaben.

Autonome Drohnen, welche selbstständig Patrouille fliegen und sich dabei ihr Ziel selbst aussuchen, wurden beispielsweise im Bergkarabach-Konflikt erstmals massenhaft eingesetzt und spielten eine entscheidende Rolle (De Vynck, 2021). Es ist davon auszugehen, dass die Zahl autonomer Systeme sprunghaft zunehmen wird (Johnson, 2019). Geforscht wird etwa daran, Radarbilder präziser auszuwerten (Trösch, 2024) oder dank dem Einsatz von Schalldetektoren feindlichen Beschuss genauer zu orten (Haberland, 2023). Diese Entwicklung könnte in der sogenannten «Battlefield Singularity» enden. Eine Situation, in der KI Entscheidungen auf dem Schlachtfeld so schnell trifft, dass Menschen dem Prozess nicht mehr folgen können (Kania, 2017).

Die öffentliche Meinung zu KI in der Armee

Die heutigen Mittel und die möglichen Zukunftsszenarien nahm die Studie «Sicherheit 2024» zum Anlass, ein erstes Mal die öffentliche Meinung zu KI in der Schweizer Armee zu erheben. Wie in Abbildung 1 dargestellt, ist die Schweizer Stimmbevölkerung offen gegenüber dem Einsatz und der Entwicklung von KI im militärischen Bereich eingestellt. Eine klare Mehrheit ist einverstanden mit der Entwicklung von KI für den militärischen Einsatz (63%). 61 Prozent unterstützen die Aussage, dass der Einsatz die Sicherheit der Schweiz erhöht. Gleichzeitig wird weder die Entwicklung als grundsätzlich falsch empfunden (28%) noch der Einsatz als grosses Risiko gesehen (45%).

Soziodemografische Einflüsse

Die vier erfragten Meinungen lassen sich zusammen zu einem Akzeptanz-Index aggregieren (Cronbach’s Alpha = 0.83), der die gesamte Akzeptanz von KI in den Streitkräften zeigt.

Abbildung 1: Einstellung zu KI im militärischen Einsatz Abbildung: Alix d’Agostino, DeFacto
Studienreihe «Sicherheit»
Die Militärakademie (MILAK) an der ETH Zürich und das Center for Security Studies (CSS) der ETH Zürich führen seit 1991 regelmässige repräsentative Umfragen zur Schweizer Aussen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik in der Stimmbevölkerung durch und veröffentlichen deren Resultate in der Studienreihe «Sicherheit». Mit vier Fragen wurden in diesem Jahr die grundsätzlichen Einstellungen zum Einsatz und zur Entwicklung von KI in der Schweizer Armee gemessen (Szvircsev Tresch et al. 2024).

 

Die Akzeptanz von KI im militärischen Einsatz unterscheidet sich je nach politischer Einstellung und Bildungsabschluss der befragen Personen. Befragte, welche sich dem politischen Zentrum zuordnen und Personen mit tieferem Bildungsabschluss sind signifikant (p < 0.05)[1] skeptischer als ihre Mitbürger:innen an den politischen Polen und besser gebildete Schweizer:innen. Diese Resultate gelten auch, wenn das Alter, die Einstellung zu politischem Wandel, die Sprachregion und das Geschlecht der Befragten in Betracht gezogen werden. Diese Merkmale scheinen die Akzeptanz von KI im Militär nicht zu beeinflussen.

Allgemeines Vertrauen in KI

Besonders relevant ist auch das Vertrauen einer Person in KI im Allgemeinen. Ein hohes Vertrauen in diese Technologie geht einher mit einer grösseren Akzeptanz von KI-Technologien im Militär. Daher lässt sich vermuten, dass viele Menschen ihre eigenen positiven oder negativen Erfahrungen mit solchen Anwendungen im Alltag auf das Militär übertragen. Ähnliche Resultate finden sich auch in verschiedenen Studien aus anderen Ländern (Horowitz & Maxey, 2020; Lillemäe et al., 2023).

Zusammenhänge zur Meinung zur Armee

Die Meinung zu KI im militärischen Einsatz ist ebenso verknüpft mit gewissen Einstellungen zur Schweizer Armee. Wer bspw. die Wehrpflicht beibehalten möchte und selber in der Armee Dienst leistete, hat eine positivere Meinung zu KI im militärischen Einsatz. Diese Zusammenhänge gelten auch, wenn die Effekte der oben beschriebenen soziodemografischen Faktoren in Betracht gezogen werden. Im Moment zeichnet sich somit nicht ab, dass KI-basierte Systeme als Konkurrenz zur Wehrpflicht gesehen werden. Der Gedanke, dass in der Schweizer Armee militärische Aufgaben vermehrt durch autonome Anwendungen ausgeführt werden könnten und es deshalb entsprechend weniger Wehrpflichtige benötigt würde, wird in der Bevölkerung nicht gestützt.

Fazit

Die schweizerische Verteidigungspolitik wird sich in den nächsten Jahren mit den neuen militärischen Möglichkeiten der KI auseinandersetzen müssen. Die demokratischen Institutionen garantieren dabei das Mitbestimmungsrecht der Bevölkerung. Während sich die Meinungen bezüglich KI-basierten Technologien im Militär von verschiedenen Bevölkerungsgruppen durchaus unterscheiden, ist die Mehrheit der Schweizer Stimmbevölkerung zurzeit positiv gegenüber der Entwicklung und dem Einsatz von KI in der Armee eigestellt. Dies kann sich aber im Verlauf der gesellschaftlichen Diskussionen ändern, weshalb die Studienreihe «Sicherheit» die Meinung zu KI im militärischen Einsatz in Zukunft in unregelmässigen Abständen erheben wird.


[1] Die Berechnungen basieren auf einer OLS Regression mit dem KI-Akzeptanz-Index als abhängige Variable, und den soziodemografischen Merkmalen als unabhängige Faktoren.

Quelle:

Szvircsev Tresch, T., Wenger, A., De Rosa, S., Ferst, T., Honegger, M., Rizzo, E. & Robert, J. (2024). Sicherheit 2024 –  Aussen- , sicherheits- und verteidigungspolitische Meinungsbildung im Trend. Birmensdorf und Zürich: Militärakademie (MILAK) an der ETH Zürich und Center for Security Studies der ETH (CSS).

Studie «Sicherheit» – Center for Security Studies | ETH Zürich

 

Referenzen:

  • De Vynck, G. (2021, 13. August). The U.S. says humans will always be in control of AI weapons. But the age of autonomous war is already here. Washington Post. https://www.washingtonpost.com/technology/2021/07/07/ai-weapons-us-military/
  • Haberland, C. (2023, 29. August). Threats in urban environments: Innovative reconnaissance technologies put to the test in international military exercises. Measurement Campaign For Detecting Gunshots And Drones.https://www.fkie.fraunhofer.de/en/press-releases/nato-set-286-measurement-campaign-switzerland.html
  • Horowitz, M. C. & Maxey, S. (2020). Morally Opposed? A Theory of Public Attitudes and Emerging Military Technologies. SSRN Electronic Journal. https://doi.org/10.2139/ssrn.3589503
  • Johnson, J. (2019). Artificial intelligence & future warfare: implications for international security. Defense & Security Analysis, 35(2), 147–169. https://doi.org/10.1080/14751798.2019.1600800
  • Kania, E. B. (2017). Battlefield Singularity: Artificial Intelligence, Military Revolution, and China’s Future Military Power. In Center For A New American Security. Abgerufen am 23. November 2023, von https://www.cnas.org/publications/reports/battlefield-singularity-artificial-intelligence-military-revolution-and-chinas-future-military-power
  • Lillemäe, E., Talves, K. & Wagner, W. (2023). Public perception of military AI in the context of techno-optimistic society. AI & SOCIETY. https://doi.org/10.1007/s00146-023-01785-z
  • Marra, W. & McNeil, S. (2013). Understanding „The Loop“: Regulating the Next Generation of War Machines. Harvard Journal Of Law And Public Policy, 36(3), 1139–1185. https://www.questia.com/library/journal/1G1-337617929/understanding-the-loop-regulating-the-next-generation
  • Trösch, S. (2024). Gemeinsame Forschung von armasuisse W+T mit NATO-PFP- Forschungspartnern zu Aufklärungstechnologien. armasuisse, Bundesamt für Rüstung. https://www.ar.admin.ch/de/gemeinsame-forschung-armasuisse

 

Bild: Mediathek VBS

image_pdfimage_print
KategorienSchweizer PolitikThemen
, , ,