Bei den Aargauer Grossratswahlen vom 20. Oktober 2024 erzielte die SVP eine neue Rekordmarke. Ihr kam zugute, dass zahlreiche Wahlberechtigte die Einwanderung als grösstes Problem betrachteten. Die SVP konnte einen Grossteil ihrer Wählerschaft von 2020 bei der Stange halten, Nicht-Wählende mobilisieren und anderen Parteien Stimmen abjagen. Zudem schnitt die Volkspartei anders als früher auch bei den Jüngeren gut ab. Dies zeigt die Nachwahlbefragung von FOKUS Aargau, die am Zentrum für Demokratie Aarau (ZDA) durchgeführt wurde.
Die letzten Aargauer Grossratswahlen führten zu einer Stärkung der bürgerlichen Kräfte. Die SVP konnte ihren Wähleranteil auf 33.9 Prozent steigern – ein historischer Höchststand – und geht als grosse Siegerin aus den Wahlen hervor. Die SVP profitierte davon, dass die Einwanderung den Wahlberechtigten unter den Nägeln brannte. 23 Prozent aller Wahlberechtigten erachteten diesen Themenbereich als wichtigstes politisches Problem. Und die Wählenden, die sich in erster Linie um das Kernthema der SVP sorgten, wählten zu 69 Prozent die Volkspartei.
Von grosser Bedeutung waren auch die steigenden Krankenkassenprämien (18%). Allerdings gelang es keiner der sechs grössten Aargauer Parteien, sich aufgrund der Brisanz dieses Themas einen entscheidenden Vorteil zu verschaffen.
Die Themenkonjunktur verhalf der SVP, ihre Basis bei der Stange zu halten: Rund zwei Drittel ihrer Wählerschaft von 2020 blieben ihr treu. Zudem gelang es der SVP gut, Nicht-Wählende zu mobilisieren und starke Zugewinne von anderen Parteien zu realisieren – insbesondere von der FDP und überraschenderweise auch von den Grünen. Letzteres dürfte mit der Verschiebung des allgemeinen Problembewusstseins der Wählenden vom Klimawandel hin zur Migrationsthematik in Zusammenhang stehen.
Ebenfalls bemerkenswert ist, dass die SVP bei den jüngeren Wählenden auf viel Zuspruch stiess. Anders als früher zeigt sich 2024 kein Übergewicht älterer Wählerschichten. Bei den 30 bis 39-Jährigen erreichte die Partei sogar ihren höchsten Wähleranteil. 46 Prozent der Teilnehmenden dieser Alterskategorie gaben der Volkspartei ihre Stimme.
Die «grüne Welle» ist abgeebbt
Die Grünen erlitten bei den Wahlen hingegen eine herbe Niederlage und verloren vier Sitze im Grossen Rat. Die Grünen und auch die Grünliberalen litten darunter, dass der Klimawandel nicht mehr die politische Debatte dominierte. Ihr Kernthema und Treiber der Erfolge von 2020 wurde nur noch von 9 Prozent der Wählenden als wichtigstes Problem genannt. Die sogenannte «grüne Welle» ist auch im Kanton Aargau abgeebbt.
Den Grünen gelang es am wenigsten, ihre Wählerschaft von 2020 zu halten: Nur 43 Prozent wählten sie erneut, der Rest nahm entweder nicht an den letzten Grossratswahlen teil oder bevorzugte andere Parteien. Die Grünen verloren viele Wählenden an die SP und an die SVP.
Die GLP vermochte zwar anteilsmässig am meisten Spätentschlossene für sich zu gewinnen (30 Prozent), büsste aber unter dem Strich acht Prozent ihrer früheren Wählerschaft an andere Parteien ein. Die Verluste gingen in verschiedene Richtungen – am häufigsten zur SVP, gefolgt von der SP und der Mitte.
Abbildung 1. Wählerwanderungen zwischen Grossratswahl 2020 und 2024
Abbildung: Alix d’Agostino, DeFacto · Datenquelle: Bericht FOKUS Aarau
Demobilisierung der SP-Wählerschaft
Die SP konnte trotz zahlreicher Stimmen von ehemaligen Grünen-Wählenden insgesamt nicht zulegen. Dies lag in erster Linie daran, dass viele SP-Wählende von 2020 den Urnen fernblieben. Den Sozialdemokraten gelang es nicht, diese Verluste durch die Mobilisierung von bisherigen Nicht-Wählenden auszugleichen. So resultierte gemessen am Wähleranteil von 2020 ein Nettoabfluss von hohen neun Prozent.
Der Mitte glückte die Mobilisierung von Nicht-Wählenden. Zugleich verlor sie jedoch überdurchschnittlich viele Stimmen an konkurrierende Parteien, allen voran an die SVP. Dies lässt den Schluss zu, dass in Bezug auf die Zusammensetzung der Wählerschaft der Mitte mehr in Bewegung kam als es aufgrund des stabilen Wähleranteils den Eindruck erweckte.
Die Wählerschaft der FDP wies mit 57 Jahren das höchste Durchschnittsalter auf. Wie die SVP schafften es die Freisinnigen, zwei Drittel ihrer Wählerschaft von 2020 zu halten. Zudem gelang unter dem Strich die Mobilisierung von Nicht-Wählenden. Darüber hinaus gewann die FDP auf Kosten der EVP, der Mitte und den Grünen hinzu. Allerdings gingen viele Stimmen an die SVP verloren, wodurch sich die Zu- und Abflüsse insgesamt die Waage hielten.
Soziale Medien auf dem Vormarsch
Bemerkenswert ist die zunehmende Bedeutung von sozialen Medien im Wahlkampf. Der Anteil der Wählenden, die Facebook, X und andere Plattformen als Informationsquelle nutzten, hat sich gegenüber 2020 von fast verdoppelt (von 11% auf 20%)
Die sozialen Medien erfreuten sich besonders unter den jüngeren Wählenden grosser Beliebtheit. Unter den 18-29-Jährigen machten 40 Prozent davon Gebrauch. Dieser Anteil nahm in den älteren Kategorien kontinuierlich ab und erreichte unter den über 70-Jährigen noch 10%. Der Vormarsch der sozialen Medien deutet auf einen Wandel in der politischen Kommunikation hin.
Abbildung. Nutzung sozialer Medien nach Altersgruppen
Abbildung: Alix d’Agostino, DeFacto · Datenquelle: Bericht FOKUS Aarau
Anmerkung: Dieser Artikel wurde von Raed Hartmann, DeFacto, bearbeitet.
Bild: Wikimedia