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Aufbau eines dauerhaften Wettbewerbsvorteils in einem umkämpften Arbeitsmarkt: das Beispiel der Schweizer Fussballvereine

Mickaël Terrien
20th March 2025

Einleitung

Nach den 30 traurigen Jahren (1964-1994), in denen sich die Nati kein einziges Mal für die Weltmeisterschaft qualifizierte, erlebte der Schweizer Männerfussball in der letzten Zeit seine glorreichen Dreissig, die insbesondere durch zwei aufeinanderfolgende Viertelfinalqualifikationen bei Europameisterschaften gekennzeichnet waren. Die Gründe für diesen anhaltenden Erfolg sind vielfältig. Einer davon ist die wirtschaftliche Notwendigkeit der Schweizer Vereine, junge Spieler auszubilden, um sie anschliessend besser transferieren zu können.

Zwischen 2015 und 2020 nahmen der BSC Young Boys, der FC Basel, der FC Luzern, der FC Sion und der FC Thun 277 Millionen Schweizer Franken durch den Verkauf von Spielern ein, während sie mit 103 Millionen deutlich weniger investierten. Hinter diesen allgemeinen Zahlen verbergen sich jedoch ganz unterschiedliche Realitäten. So erzielte der FC Basel in diesem Zeitraum einen Gewinn von 91 Millionen, der FC Luzern und der FC Thun erwirtschafteten hingegen nur sechs Millionen. Wie lassen sich diese Unterschiede erklären?

Forschungsansatz

Um diese Frage zu beantworten, schlagen wir eine multiple Fallstudie zu den fünf genannten Vereinen vor (Mustafi et al., 2024). Der theoretische Ansatz basiert auf der Ressourcentheorie, die davon ausgeht, dass ein nachhaltiger Wettbewerbsvorteil durch die Entwicklung und Nutzung einzigartiger, seltener, schwer imitierbarer und nicht substituierbarer interner Ressourcen erreicht werden kann.

Es wurden drei Arten von Daten erhoben. Zunächst wurde die Internetseite Transfermarkt genutzt, um alle Spielerbewegungen der Vereine zu ermitteln. Zweitens wurde eine Dokumentenanalyse (Vereinswebseiten und Fachpresse) durchgeführt, um zahlreiche zusätzliche Daten zur Arbeitsweise dieser Vereine zu erheben. Schliesslich wurden Interviews mit Sportdirektor:innen und/oder Talentmanager:innen geführt, um diese Analyse zu verfeinern und Gründe für nachhaltige Wettbewerbsvorteile zu ermitteln. Auf der Grundlage dieser Daten wurden zwei Gründe für nachhaltige Wettbewerbsvorteile gefunden.

Aktivität auf dem Transfermarkt der Schweizer Klubs von 2015 bis 2020 (in Millionen Euro)

Klubs Saisons in der Super
League (max = 5)
Spielerkäufe Spielerverkäufe Transfergewinne
BSC Young Boys 5 31,5 | 19 Spieler 68,6 | 11 Spieler 36,9
FC Basel 5 51,3 | 26 Spieler 14,3 | 23 Spieler 91,4
FC Sion 5 16,6 | 11 Spieler 46,1 | 121 Spieler 29,5
FC Luzern 5 3,1 | 7 Spieler 13,5 | 8 Spieler 10,4
FC Thun 4 0,5 | 3 Spieler 6,7 | 6 Spieler 6,2
Ergebnisse der Forschungsarbeit

Der erste Wettbewerbsvorteil ergibt sich aus einer Asymmetrie auf dem Arbeitsmarkt, die mit dem Pyramidensystem des europäischen Sports zusammenhängt. Der FC Basel und jetzt auch die Young Boys profitieren von ihrer regelmässigen Teilnahme an den europäischen Wettbewerben, um talentierte Spieler zu geringen Kosten anzuwerben. Diese Spieler sind oft bereit, eine kurzfristige Kürzung ihres Gehalts hinzunehmen, um sich mit Blick auf einen späteren Transfer international zeigen zu können.

Die Teilnahme an europäischen Wettbewerben bietet eine zweite Chance auf Wettbewerbsvorteile. Die so erzielten Zusatzeinnahmen (Eintritts-, Sponsoren-, Preisgelder, …) ermöglichen es diesen Vereinen, in die Entwicklung spezifischer Kapazitäten zur Erkennung und Ausbildung von Talenten zu investieren. Dazu gehören ein gut ausgebautes Scouting-Netzwerk, ein Sportmanagement mit zahlreichen Fachleuten und moderne Trainingseinrichtungen. Dieser wertvolle, seltene und schwierig zu reproduzierende oder imitierende Vorteil in der Talentanwerbung und -entwicklung ermöglicht es den Vereinen, einen positiven Kreislauf anzustossen. Ein solcher hat sich insbesondere in der Dominanz des FC Basel (elf Meistertitel zwischen 2004 und 2017) und anschliessend der Young Boys (sechs Meistertitel zwischen 2018 und 2024) gezeigt.

Dies beeinträchtigt zwar das Wettbewerbsgleichgewicht der Schweizer Super League und damit auch die Attraktivität dieses Wettbewerbs, kommt aber der Nationalmannschaft zugute. Die Nati profitiert von den Bemühungen der Vereine, junge Talente auszubilden. Diese Situation wird allerdings vom jüngsten Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union im Fall Diarra gefährdet, das die Befugnis der FIFA zur Regulierung des Arbeitsmarktes von Profifussballern in Frage stellt. Es könnte zur Abschaffung der Ablösesummen führen, was den Anreiz für die Vereine, junge Spieler auszubilden, verringern würde. Ironischerweise wurde dieser Anreiz zu grossen Teilen von einer vorherigen Entscheidung des Gerichtshofs, dem Bosman-Urteil von 1995, geschaffen, das den Transfermarkt deutlich liberalisiert hatte. Die Wettbewerbsfähigkeit der Nati könnte also letztlich vor den europäischen Gerichten entschieden werden.


Referenz

Mustafi, Z., Bayle, E., & Terrien, M. (2024). Non-Big five football clubs’ strategies for generating transfer revenues : the case of Switzerland’s Super League. Soccer & Society, 1-18.

Bild: unsplash.com

Bemerkung: dieser Beitrag stammt aus dem 9. IDHEAP Policy Brief. Er wurde von Robin Stähli, DeFacto, bearbeitet.