Die Umsetzung einer wirksamen Klimapolitik auf eine demokratische und nachhaltige Weise ist eine der grössten Herausforderungen für westlichen Demokratien im 21. Jahrhundert. In den letzten Jahrzehnten nahm das Wissen um die zur Bekämpfung des Klimawandels erforderlichen wirksamen Massnahmen stark zu. Ökonom:innen sind sich beispielsweise darin einig, dass die Besteuerung von Kohlenstoff ein wirksames Instrument ist, um die Emissionen von Unternehmen und Konsument:innen zu reduzieren. Grüne Industriepolitik hat die Entwicklung und Verbreitung erneuerbarer Energiequellen vorangetrieben und zu einem starken Preisrückgang von Solarzellen und Onshore-Windkraftanlagen geführt. Allerdings ist die Umsetzung solcher Massnahmen mit politischen Schwierigkeiten verbunden, wie die Beiträge in dieser Serie zeigen.
Die Klimapolitik ist umstritten, weil sie erhebliche Verteilungsfolgen hat, die Gewinner:innen und Verlierer:innen hervorbringt. In der Regel ist eine wirksame Klimapolitik mit kurzfristigen Kosten verbunden, die sich auf bestimmte Regionen oder soziale Gruppen konzentrieren. Ökologische und wirtschaftliche Vorteile, die globaler sind und von der gesamten Gesellschaft und auch zukünftigen Generationen Nutzen bringen, bringt sie erst auf die lange Frist. Diese Kosten-Nutzen-Verteilung bringt daher häufig erheblichen öffentlichen Widerstand hervor, da diejenigen, die unmittelbare Verluste befürchten, stark gegen mögliche Massnahmen mobilisieren.
Auch wenn diese Mobilisierung nur von einer zahlenmässig kleinen Gruppe ausgeht, kann sie eine breitere Öffentlichkeit auf den Plan rufen. Politiker:innen, die versuchen, die wachsende Klimakrise zu bewältigen, sehen sich daher häufig mit beträchtlichen öffentlichen Gegenreaktionen konfrontiert. Dies zeigt sich an Protesten gegen lokale Massnahmen, die beispielsweise auf eine Verringerung des Verkehrsaufkommens, die Stilllegung von Kohleminen oder die Errichtung von Windparks abzielen, sowie am Widerstand gegen systemischere Massnahmen wie die Besteuerung von Kohlenstoff oder der Einführung von Emissionsstandards. Für Politiker:innen in liberalen Demokratien, die auf die Zustimmung der Wählenden und die Unterstützung der Bevölkerung angewiesen sind, um klimapolitische Massnahmen umzusetzen, stellt dies eine grosse Herausforderung dar. Der anhaltende „Greenlash“ stellt die politische Durchführbarkeit der Klimapolitik in Frage und macht die Überzeugung der Öffentlichkeit von der Bedeutung des Klimaschutzes zu einer der dringendsten und zentralen Herausforderungen unserer Zeit.
Diese Herausforderung stellt sich besonders für progressive politische Kräfte, die sich oft in einem Dilemma befinden: Einerseits wollen sie einen bewohnbaren Planten für heutige und zukünftige Generationen erhalten, was weitreichende Massnahmen zur Eindämmung des Klimawandels erfordert. Auf der anderen Seite sind progressive Politiker:innen auch stark den (lokalen) demokratischen Prozessen verpflichtet: Entschlossene Klimaschutzpolitik muss wenigstens die stillschweigende Unterstützung der Bevölkerung geniessen. Progressive politische Kräfte sind häufig auch auf die Unterstützung derjenigen Wählerschichten angewiesen, die die unmittelbaren Kosten des Klimaschutzes zu tragen haben, insbesondere Arbeitnehmende und Unternehmen in kohlenstoffintensiven Branchen. Der Verlust der Wahlunterstützung durch diese Gruppen untergräbt die Absicht progressiver Kräfte, Klimaschutzmassnahmen umzusetzen und aufrechtzuerhalten. Progressive Kräfte müssen daher überlegen, wie sie eine Klimapolitik entwickeln können, die sich mit den Verteilungsfolgen des ökologischen Wandels befasst und eine breite und dauerhafte öffentliche Unterstützung dafür aufbaut.
Die bestehende sozialwissenschaftliche Forschung leistet einen wichtigen Beitrag zum Verständnis für die politische Durchführbarkeit von Klimaschutzmassnahmen und zur Ermittlung möglicher Lösungen. Verbesserungen der Datenqualität und neue methodische Instrumente haben es Sozialwissenschaftler:innen ermöglichen entscheidende Fortschritte beim Verständnis der öffentlichen Forderungen in Bezug auf die Klimapolitik und der Bedingungen zu machen, unter denen die Öffentlichkeit tendenziell ehrgeizigere Ansätze akzeptieren wird. Diese sozialwissenschaftliche Forschung hat zu Erkenntnissen darüber geführt, wie politische Massnahmen gestaltet werden können, um die öffentliche Unterstützung zu erhöhen und politische Rückschläge zu minimieren. Die Erkenntnisse gelangen jedoch nicht immer an die Öffentlichkeit und fliessen selten in öffentliche Debatten ein.
Das Ziel des Progressive Politics Research Network ist es, einem breiten Publikum die neuesten Forschungsergebnisse über die politische Durchführbarkeit von Klimapolitiken zugänglich zu machen. Die erstellten Beiträge geben einen Überblick über die wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Antrieb, den Hindernissen und den Auswirkungen der öffentlichen Unterstützung für diese Politik. Durch die Präsentation sorgfältiger, methodisch rigoroser und datengestützter Forschung wollen wir zu einer politischen Debatte beitragen, die auf modernster sozialwissenschaftlicher Forschung basiert, und politische Entscheidungsträger:innen bei der Gestaltung der Klimapolitik informieren. Die Beiträge konzentrieren sich auf die verteilungspolitischen Implikationen der Klimapolitik und ihre Auswirkungen auf die politische Durchführbarkeit von Klimamassnahmen.
Gemeinsam gehen die Beiträge die Frage nach, wie Klimapolitik politisch tragfähiger werden kann. Dazu werden fünf miteinander verknüpfte Komponenten untersucht: (1) die Rolle der Kompensation derjenigen, die durch die Klimapolitik verlieren, bei der Verringerung von Gegenreaktionen; (2) wie politisches Vertrauen sowohl die Einstellung gegenüber der Klimapolitik selbst als auch die Wirksamkeit von Entschädigungsmassnahmen beeinflusst; (3) die Neigung der Wähler:inenn, Politiker:innen für eine solche Politik zu bestrafen oder zu belohnen; (4) die breitere Mobilisierung sozialer Bewegungen zum Thema Klimawandel und (5) die Schwierigkeiten, staatliche Akteure dafür zu gewinnen, Investitionen in die Energiewende zu tätigen (Satz neu).
Die fünf neuen Briefs in Kürze vorgestellt
Der Artikel von Jacob Edenhofer und Federica Genovese untersucht die politische Logik eines „gerechten Übergangs“, der unter progressiven Kräften populär geworden ist. Im Kern beinhaltet ein „gerechter Übergang“ Ausgleichsmechanismen zur Unterstützung von Menschen, die durch ökologische Massnahmen verlieren. Edenhofer und Genovese bieten einen theoretischen Rahmen zur Gestaltung von Ausgleichspaketen, die wirtschaftliche Tragfähigkeit und politische Umsetzbarkeit vereinen. Sie stützen sich auf eine Reihe empirischer Belege, um zu zeigen, dass Kompensationen in der Tat eine erfolgreiche politische Strategie sein können. Allerdings ist nicht jede Entschädigung gleich wirksam. Kompensationsmassnahmen, die ganzheitlich und verwaltungstechnisch durchführbar, für die Öffentlichkeit sichtbar sind und einen langfristigen Erfolg versprechen, haben mehr Erfolg bei der Schaffung von Unterstützung als dürftige, wenig sichtbare, komplexe oder leicht veränderbare Massnahmen.
Ein zweiter Beitrag, verfasst von Diane Bolet und Fergus Green, befasst sich mit den politischen Folgen der Klimapolitik für progressive Parteien. Sie stützen sich in erster Linie auf empirische Daten aus Spanien, wo die Regierung mit den Gewerkschaften und Unternehmen einen Kohleausstieg ausgehandelt hat. Sie kommen zum Ergebnis, dass die regierende Mitte-Links-Partei PSOE die negativen Folgen eines Kohleausstiegs für die Wählenden weitgehend vermeiden konnte – selbst in den Kohlebergbaugemeinden. Dieses Ergebnis war möglich, weil die Regierung die betroffenen Gemeinden finanziell unterstützte sowie Zeit und Ressourcen in die Zusammenarbeit mit den lokalen Gewerkschaften investierte, um die Anliegen der Arbeitnehmenden vor Ort zu berücksichtigen. Auf der Grundlage dieses Falles und weiterer Erhebungen argumentieren Bolet und Green, dass es drei Schlüsselelemente gibt, um erfolgreich öffentliche Unterstützung für kostspielige klimapolitische Massnahmen zu gewinnen, nämlich finanzielle Hilfe und andere Kompensationsmassnahmen für betroffene Gruppen, die Beteiligung von vertrauenswürdigen Interessengruppen wie Gewerkschaften und strategische Kommunikation zur Erläuterung der Politik und der Umverteilungsmassnahmen.
Christina Toenshoff zeigt in einem dritten Beitrag, dass das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Regierung ein Schlüsselfaktor für die Unterstützung der Klimapolitik ist. Das Vertrauen in die Regierung beeinflusst, wie die Menschen die Fairness, Effektivität und Legitimität von Klimamassnahmen wahrnehmen. Umfragen zeigen, dass ein höheres Vertrauen in die Regierung mit einer stärkeren Unterstützung für Massnahmen wie Kohlenstoffsteuern und Verbote von Kohlekraftwerken sowie für Ausgleichsmassnahmen zugunsten gefährdeter Bevölkerungsgruppen korreliert. Toenshoff reflektiert daher über politische Massnahmen, die das Vertrauen in die Regierung stärken könnten, und betont, dass die Regierungen Massnahmen zur Korruptionsbekämpfung Priorität einräumen und eine stärkere Beteiligung der Bevölkerung an der politischen Entscheidungsfindung fördern sollten.
Der vierte Beitrag von Daniel Saldivia Gonzatti und Swen Hutter untersucht die Auswirkungen der politischen Mobilisierung durch soziale Bewegungen auf die Unterstützung der Klimapolitik. Die Forschung zeigt, dass eine anhaltende Mobilisierung, einschliesslich Massendemonstrationen, die Unterstützung für Klimamassnahmen in der breiten Öffentlichkeit erhöhen kann. Anhand eines Umfrageexperiments in Deutschland zeigen sie, dass friedliche Demonstrationen einen stärkeren positiven Einfluss auf die öffentliche Unterstützung haben als konfrontative Taktiken, dass aber konfrontative Ansätze wie Blockaden die öffentliche Unterstützung für Klimapolitik im Allgemeinen nicht beeinträchtigen. Insgesamt legen sie nahe, dass ein breites Spektrum an Protesttaktiken nebeneinander bestehen kann, ohne die übergeordneten Ziele der Bewegung zu gefährden.
Der fünfte und letzte Beitrag von Elsa Massoc beschäftigt sich mit den staatlichen Investitionen in die Energiewende. Sie zeigt auf, wieso es der Europäischen Union und ihrer Mitgliedstaaten nicht gelungen ist, das notwendige Investitionsniveau für die Energiewende bereitzustellen. Ihre Analyse zeigt, dass zwar die öffentlichen Mittel für grüne Ziele gestiegen sind, diese jedoch weiterhin hinter Prioritäten wie wirtschaftlicher Wettbewerbsfähigkeit und Verteidigung zurückstehen und wieso umweltpolitische Ziele nicht prioritär behandelt werden. Der Grund dafür liegt in der institutionellen Funktionsweise westlicher Demokratien, in denen die strategische Wettbewerbsfähigkeit höher gewichtet wird als langfristige Erfolge in der Umweltpolitik. Die Autorin plädiert daher für institutionelle Reformen, einschliesslich der Stärkung von Bevölkerungsräten, um die demokratische Kontrolle zu verbessern und öffentliche Investitionen für die Energiewende bereitzustellen.
Insgesamt liefern die Beiträge drei wichtige Erkenntnisse: Erstens können Kompensationsmassnahmen die politische Gegenreaktion auf kostspielige klimapolitische Massnahmen verringern, auch auf solche, die lokal begrenzte Folgen haben. Kompensationen wirken direkt auf die kurzfristigen wirtschaftlichen Beeinträchtigungen, die solche Massnahmen oft verursachen, und können dazu beitragen, die Unterstützung von Gruppen zu gewinnen, die negative Folgen fürchten. Damit diese Massnahmen jedoch wirksam sind, müssen sie sowohl sichtbar als auch gross genug sein, um die wirtschaftlichen Kosten für eine Vielzahl von Menschen auszugleichen.
Zweitens setzen erfolgreiche Kompensationsmassnahmen das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Regierung voraus. Der Glaube der Wähler:innen an die Vertrauenswürdigkeit einer Regierung und die Glaubwürdigkeit ihrer längerfristigen Versprechen erhöht die Wahrscheinlichkeit einer nachhaltigen Unterstützung grüner Massnahmen, insbesondere wenn diese über einen längeren Zeitraum umgesetzt werden. Der Aufbau von Vertrauen erfordert ein proaktives Engagement mit lokalen Kräften, wie z. B. Gewerkschaften, die die Kluft zwischen politischen Entscheidungsträger:innen und der Öffentlichkeit überbrücken können. Gemeinsame Partnerschaften stärken die Glaubwürdigkeit und zeigen das Engagement der Regierung für eine gerechte Politikgestaltung und -umsetzung.
Drittens spielt die Mobilisierung der Öffentlichkeit eine entscheidende Rolle, wenn es darum geht, die Klimapolitik auf die politische Tagesordnung zu setzen oder zu halten. Konfrontative oder gewalttätige Taktiken können zwar Gegenreaktionen hervorrufen, aber sie untergraben die allgemeine Legitimität der Klimaproblematik nicht. Noch wichtiger ist jedoch, dass gewaltfreie, integrative Bewegungen das Bewusstsein und die Unterstützung in der breiten Öffentlichkeit stärken können. Diese Unterstützung kann politischen Entscheidungsträgern dabei helfen, in Klimafragen zu handeln, und die Dynamik des Wandels verstärken.
Insgesamt zeigen die Forschungsberichte, dass der Spielraum für eine politisch tragfähige Klimapolitik grösser ist, als es derzeit den Anschein macht. Um jedoch eine wirksame und dauerhafte Klimapolitik umzusetzen, müssen die politischen Entscheidungsträger:innen Bündnisse mit sozialen Bewegungen eingehen und politische Massnahmen ergreifen, die sowohl die kurzfristigen Bedenken der Wählenden über die störenden Auswirkungen der Klimapolitik als auch ihr langfristiges Vertrauen in den Staat berücksichtigt.
Quellen und weitere Informationen: Research Brief Serie 2: The Political Viability of Climate Policies Bild: Pexels.com