Herr Walder, sind die Wählerinnen und Wähler gut informiert?

Bei den Wah­len wird ent­schie­den, wel­che Per­so­nen die Inter­es­sen des Stimm­vol­kes im Par­la­ment ver­tre­ten dür­fen. Folg­lich haben die Wah­len gros­sen Ein­fluss dar­auf, wie die Schwei­zer Poli­tik aus­ge­stal­tet wird. Doch wie gut sind die Wäh­len­den über­haupt über die Poli­tik und die Par­tei­en infor­miert? Maxi­me Wal­der beant­wor­tet die wich­tigs­ten Fragen.

Wie gut sind die Wäh­le­rin­nen und Wäh­ler über poli­ti­sche Inhal­te informiert?

Maxi­me Wal­der: Das ist eine kom­ple­xe Fra­ge. Ver­schie­de­ne Stu­di­en ver­su­chen, das poli­ti­sche Wis­sen der Wäh­le­rin­nen und Wäh­ler zu bewer­ten, und deu­ten eher dar­auf hin, dass das poli­ti­sche Wis­sen der Bevöl­ke­rung gering ist. Was bedeu­tet es jedoch, “gut infor­miert” zu sein? Wenn man davon aus­geht, dass eine Per­son, die gut über poli­ti­sche Inhal­te infor­miert ist, ein umfas­sen­des Wis­sen über das gesam­te poli­ti­sche Gesche­hen, Politiker:innen, Par­tei­en, Inter­es­sen­grup­pen oder alle Par­la­ments­be­schlüs­se hat, dann gibt es den/die gut informierte:n Wähler:in nicht. Wenn man hin­ge­gen davon aus­geht, dass ein gut infor­mier­tes Indi­vi­du­um in der Lage ist, die ihm zur Ver­fü­gung ste­hen­den Infor­ma­tio­nen zu ver­ar­bei­ten und eine Wahl­ent­schei­dung zu tref­fen, die mit sei­ner ideo­lo­gi­schen Posi­ti­on über­ein­stimmt, ist ein gros­ser Teil der Schwei­zer Wäh­le­rin­nen und Wäh­ler gut informiert.

Wo und wie infor­mie­ren sich die Wäh­le­rin­nen und Wäh­ler vor den Wah­len über die Par­tei­en? Gibt es einen Unter­schied zwi­schen Neu­wäh­lern und erfah­re­nen Wählern?

In einer Stu­die, die im Rah­men eines Natio­na­len For­schungs­pro­jekts NFP 77 zur digi­ta­len Trans­for­ma­ti­on im Kan­ton Bern durch­ge­führt wur­de, haben wir unter­sucht, wie die Schwei­zer Bür­ge­rin­nen und Bür­ger die ver­schie­de­nen Medi­en­ar­ten nut­zen, um sich wäh­rend poli­ti­scher Kam­pa­gnen zu infor­mie­ren. Unse­re Ergeb­nis­se zei­gen, dass die tra­di­tio­nel­len Infor­ma­ti­ons­ka­nä­le, das heisst TV, Zei­tun­gen, Radio nach wie vor die wich­tigs­te Infor­ma­ti­ons­quel­le für die Schwei­zer Bevöl­ke­rung sind. Infor­mel­le Dis­kus­sio­nen und Par­tei­do­ku­men­te (z. B. Pla­ka­te oder Fly­er) wer­den eben­falls regel­mä­ßig kon­sul­tiert, und in gerin­ge­rem Mas­se tau­chen sozia­le Netz­wer­ke als Infor­ma­ti­ons­ka­nal auf. Sozia­le Netz­wer­ke blei­ben für die Bevöl­ke­rung im All­ge­mei­nen eine mar­gi­na­le Infor­ma­ti­ons­quel­le. Bei der jün­ge­ren Genera­ti­on beob­ach­ten wir hin­ge­gen eine stär­ke­re Ten­denz, sozia­le Netz­wer­ke als Infor­ma­ti­ons­ka­nal zu nutzen.

Wäh­len alle Wäh­le­rin­nen und Wäh­ler die Par­tei, die sie am bes­ten vertritt?

Es gibt vie­le Grün­de, war­um man einen Kan­di­da­ten eher wählt als einen ande­ren. Man kann zum Bei­spiel eine Par­tei oder eine:n Kandidat:in wäh­len, weil man der Mei­nung ist, dass sie/er einem ideo­lo­gisch nahe­steht, oder auf­grund einer bestimm­ten Her­aus­for­de­rung. Doch obwohl die­se Wahl­stra­te­gien eine bestimm­te Reprä­sen­ta­ti­on der Wäh­ler­schaft erzeu­gen, ist die Opti­mie­rung einer die­ser Stra­te­gien nicht gleich­be­deu­tend mit der Opti­mie­rung aller For­men der Reprä­sen­ta­ti­on. Was wir beob­ach­ten, ist, dass die Nut­zung von Wahl­un­ter­stüt­zungs­an­wen­dun­gen (z. B. Smart­vo­te) die Wahr­schein­lich­keit erhöht, dass Wäh­ler ihre Mei­nung zwi­schen ihrer Absicht und ihrer Wahl­ent­schei­dung ändern. Es ist also fest­zu­stel­len, dass die Wähler:innen eher dazu nei­gen, ihre Stimm­ab­ga­be zu ändern, wenn sie qua­li­ta­tiv hoch­wer­ti­ge und leicht zugäng­li­che Infor­ma­tio­nen über Kandidat:innen und Par­tei­en erhal­ten. Man kann also sagen, dass nicht alle Wäh­le­rin­nen und Wäh­ler die Par­tei wäh­len, die sie am bes­ten reprä­sen­tiert. Die poli­ti­sche Kom­pe­tenz der Wäh­le­rin­nen und Wäh­ler sowie die Qua­li­tät der Infor­ma­tio­nen, die wäh­rend der poli­ti­schen Kam­pa­gnen bereit­ge­stellt wer­den, kön­nen die Reprä­sen­ta­ti­on der Wäh­ler­schaft aber verbessern.


Maxi­me Walder

Maxi­me Wal­der stu­dier­te und pro­mo­vier­te an der Uni­ver­si­tät Zürich und ist heu­te For­scher an den Uni­ver­si­tä­ten Genf und Basel. Sei­ne For­schungs­schwer­punk­te lie­gen in den Berei­chen Daten­wis­sen­schaf­ten und Berech­nungs­me­tho­den. Er forscht auch im Bereich der Unter­su­chung des poli­ti­schen Ver­hal­tens von Bür­ge­rin­nen und Bür­gern und Eli­ten sowie der poli­ti­schen Kon­se­quen­zen der digi­ta­len Transformation.

Bild: unsplash.com

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